Wie weit in den Alltagleben reichte die Macht der Kirche(n)?

Mir geht in dieser Diskussion folgender Themenkomplex nicht aus dem Kopf:
Wenn die 16-jährige, die vom evangelikalen Pastor "verführt" wurde, ist sie eben als Frau die Sünde und die Verführerin, die Buße tun muss.
Der Themenkomplex Sünde/Sünder/Sünderin-Verführung/Verführer/Verführerin
Zunächst: zu den Wortfeldern von Sünde und Verführung muss noch Versuchung ergänzt werden. Ich vermute, dass vieles im Gebrauch dieser Begriffe bis heute von christlicher Morallehre geprägt/beeinflußt ist - wenn das zutrifft, hätten wir hier einen Wirkungsbereich in das Alltagsleben hinein. Aber so selbstverständlich das auf den ersten Blick auch wirkt (Sünde & Versuchung tauchen in christlich-religiösen Schriften oft genug auf), ich befürchte, dass ein eindeutiger Nachweis nicht ganz einfach zu bewerkstelligen sein wird.

Ich muss dazu noch etwas grübeln und nachlesen, weshalb ich es erstmal bei dieser Andeutung belasse - aber ich kann mir vorstellen, dass dieser Themenkomplex für die Diskussion produktiv werden kann.
 
Gut, wenn er das in deinem Sinne gemacht hat, folgendes. Du hast nicht wie Shinigami behauptet von Kirche sondern von Christentum gesprochen.
Wenn @dekumatland von der Sache mit den AGBs sprach, sprach er offensichtlich von einem Akteur und da das Christentum kein solcher ist, konnte es selbst nicht damit gemeint sein, sondern allenfalls die christlichen Glaubensgemeischaften, die als Akteure auftreten.

Zweites Mißverstehen: Ich habe gar nicht von Texten gesprochen, wie Shinigami behauptet, sondern von einem Leitfaden fürs Leben.
Der im Sinne Religiöser Vorstellungen und Leitlinien in was bestehen sollte, als in Texten? (auch Regelsammlungen sind erstmal Texte).
Viele Christen sehen Gott als moralische Instanz.
Womit sich selbst oder ihre Einbildungskraft meinen.
Es erscheint mir ehrlich gesagt müßig, mich über spekulative Inhalte moralischer Instanzen zu unterhalten, deren Existenz noch niemand nachweisen konnte.
So lange das nicht der Fall ist, wäre "Gott" mit "Einbildungskraft" zu übersetzen.

Und da Einbildungskraft allein schwerlich eine moralische Legitimation sein kann (Einbildungskraft besaßen auch diverse blutrünstige Diktatoren, Massenmörder und andere zu genüge), sehe ich keinen Grund, dass in irgndeiner Form als ernstzunehmende "Instanz" abzuhandeln.
Einbildungen sind keine Instannzen.

Sehr oft hört man, dass menschliche Moral ja subjektiv wäre und nur Gott eine objektive Moral geben könne.
Ja, was man so hört.
Ich würde dagegenhalten, dass Moral durchaus objektivierbar ist, insofern man Menschen ja fragen und statistich auswerten kann, was sie für moralisch halten, woraus sich jedenfalls einige Annahmen werden ableiten lassen, die mehrheitsfähig sind, und somit als objektiv gelten können.

Von etwas anzunehmen, dessen Existenz man nicht einmal belegen kann, dass es in der Lage sein müsste objektiv etwas über Moral zu sagen, ist offengesagt, so weit von rationalem Denken entfernt, dass man das wirklich nicht mehr ernst nehmen muss.

Auch die Kirchen sehen sich auch als moralische Instanz.
Die haben gegengenüber Gott wenigstens den Vorteil, dass ihre Existenz bewiesen ist und das sie tatsächlich aggieren, so dass man sie an ihren Postulaten und ihrem Handeln messen kann.

Hier geht es nicht um Gesetzestreue und AGBs, die das im voraus garantieren sollen. Es geht um den Selbstanspruch des Christentums und ob dieser gerechtfertigt ist.
Jetzt wirfst du Akteur und Ideologie durcheinander.

Das Christentum ist eine Ideologie und als solche zu keiner eigenmächtigen Aktion fähig. Da es kein Akteur ist, kann es auch nicht amoralisch oder unmoralisch aggieren, insofern gibt es dahigehend kein wirkliches Diskussionspotential.
Der zeite Irrtum, der hier drinn steckt, ist damit verbunden derjenige, das Christentum würde einen Selbstanspruch erheben. Nein, tut es nicht. Es ist einfach nur vorhanden. Christen, die sich diese Ideologie zu eigen gemacht haben und als Akteure auftreten erheben diesen Anspruch.

Und die frage ob der berechtigt ist, lässt sich mit einem einzigen Wort beantworten: Nein.

Und zwar nicht aus irgendwelchen inhaltlichen Günden, sondern aus dem Grund, dass Christen diese Inhalte als der Weisheit letzter Schluss verkaufen, da sie angeblich von Gott kommen, den sie als Instanz in dieser Hinsicht betrachten.
Diese Instanz kann aber auf Grund des Umstands, dass bisher nicht einmal ihre Existenz bewiesen werden konnte, von niemandem, der in einigermaßen vernünftigen und logischen Bahnen denkt, als bindend akzptiert werden und damit auch das gesamte Postulat der Christen nicht.

Selbst wenn man inhaltlich exakt dem Ergebnis der Moralvorstellungenn christlicher Gruppen folgen würde, muss für jeden vernünftig denkenden Menschen die Begründung dieser Moralvorstellungen bei diesen Gruppen inakzeptabel sein, womit die Frage nach ihrer Rechtfertigung geklärt wäre, denn was auf Irrationalen Annahmen beruht, kann der Vernunft nach schwerlich gerechtfertigt sein.
Gerechtfertigt können Schlussfolgerungen sein, deren Prämissen der Überprüfung zugänglich sind.
 
Im 20. Jahrhundert folgten weitere Menschenrechtserklärungen, doch der Vatikan hat die UNO- und EU-Menschenrechtserklärungen nicht unterzeichnet. Als einer der wenigen Staaten!
Der Vatikan ist auch weder UN- noch EU-Mitglied.

Und wenn Du ihm daraus einen Strick drehen willst: Auch die Schweiz trat den UN erst vor gut zwei Jahrzehnten bei.

Was ich dafür von Seiten der Lehrer (nicht alle, aber viele) sehr oft erlebt habe, ist, dass diese, wahrscheinlich auch aus dieser Problematik heraus, dazu neigen Probleme auf andere abzuwälzen.
Z.B. dadurch, dass dann die Eltern mit Empfehlungen bombardiert werden ihr Kind wegen jeden Mist, und sei es nur deswegen, weil es dadurch, in welcher Form die Mitschüler zur ungenierten Gewaltätigkeit neigen und es das regelmäßig abbekommt, nervlich fertig ist, doch bitte zum Psychologen zu schleifen.
Allerdings ist Erziehung auch primär die Aufgabe der Eltern, nicht der Lehrer.
 
Wenn @dekumatland von der Sache mit den AGBs sprach, sprach er offensichtlich von einem Akteur
Da in umfangreichen Fäden zurückblättern lästig sein kann, schauen wir nach, wovon und in welchem Zusammenhang der erwähnte Teilnehmer "gesprochen" hat.
Ausgang war diese kühne, tollkühn formulierte Behauptung:
Es geht hier nicht darum, was in anderen Regionen oder Religionen auch stattfand, sondern inwiefern das Christentum mit seinen Einfluss dazu beigetragen hat, dass es bei uns "physischen, psychischen oder sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen" so lange gab - dies auch in seinen Einflussbereichen in- und außerhalb Europas, denn Anfang des 20. Jahrhunderts regierte das christliche Europa in Form von Kolonien, Protektoraten und Dependancen über ca. 85 Prozent der Welt.
Dazu stellte ich diese Frage:
...hat "das Christentum" als (hinter- & arglistiger) Akteur irgendwelche Anweisungen oder Direktiven hinterlassen, wie man Schutzbefohlene psychisch, physisch und sexuell missbraucht?
Die Frage blieb unbeantwortet.

Aber von einem anderen Diskutanten kam in diesem Kontext diese interessante Darstellung:
Ein wirkliches Problem ist aber, dass das Christentum auch keine Anweisungen und Direktiven hinterlassen, die den psychischen, physischen und sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen eindeutig verurteilt und verhindert.
Darauf reagierte ich mit meiner ironischen Causerie über die AGBs, welche du @Shinigami sehr treffend kommentiert hattest.

(minderjährige) Schutzbefohlene können temporär in der Obhut vieler Institutionen sein (Familie, Pflegefamilie, Internat, kirchliches Internat, Schule, Kindergarten, Jugendheim, betreutes Wohnen und viele andere) - üblicherweise muss keine dieser Institutionen das komplette Strafgesetzbuch inklusive der Versicherung, dass man alle diese Straftaten weder lehrt noch begeht, als "AGB" am Eingang aushängen.
 
Der Vatikan ist auch weder UN- noch EU-Mitglied.

Und wenn Du ihm daraus einen Strick drehen willst: Auch die Schweiz trat den UN erst vor gut zwei Jahrzehnten bei.
Vermutlich wird es daran liegen, dass ja die halbe Schweiz katholisch ist und der Papst den Schweizern mit rollenden Augen und grollend mit dem abgetrennten, einbalsamiertem Haupt Zwinglis herumwedelnt wild mit dem Fegefruer drohte, falls die Schweizer beitreten und Menschenrechte akzeptieren würden.
Gerüchten zufolge soll er Bern sogar mit einem Einmarsch der Schweizer Garde und dem Einfrieren aller schweizerischen Schwarzgelder bei der Vatikanbank gedroht haben.

Dann kam aber der Schwedische König, als Vertreter der letzten auf Napoléons Einfluss zurückgehenden Dynastie Europas auf Staatsbesuch vorbei und brachte neben Smörrebröd noch noch die Aufklärung in Form einer in Schwitzerdütsch übersetzten Ausgabe der schwedischen Geschichte mit.

Als die katholischen Schweizer darin aber lasen, dass es seinerzeit der Papst erlaubte, dass sich Christina von Schweden in Rom aufhalten und ihr Unwesen treiben konnte, ohne das der damalige Papst sie sofort ins Fegefeuer komplimentierte, fielen sie vom Glauben ab und rächten sich an der Katholischen Kiche damit, dass sie der UN beitraten.
So verhält es sich damit und Dion wird sicher in der Lage sein, diese Ausführungen auf Nachfrage ausführlich zu bequellen.

Allerdings ist Erziehung auch primär die Aufgabe der Eltern, nicht der Lehrer.
Erziehung ja, aber für die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Schulen wären eigentlich die Lehrer als verantwortliche Personen zuständig.

Und wenn deren Handeln so aussieht, dass sie bei gewalttätigen Auseinandersetzungen, Mobbing etc. nicht dazwischen gehe und nichts sagen, weil es ja eine Kompetenzüberschreitung darstellen könnte und sich damit begnügen auf die Eltern derjenigen, die dabei Prügel bezogen haben druck zu machen, ihr Kind bitte zum Psychologen zu schleifen, statt denjenigen, die geprügelt haben Grenzen zu setzen, ist das victim blaming at it's best (oder worst).
Derlei habe ich in meiner Schulzeit mehrfach, ich möchte sagen regelmäßig erlebt und da bin ich einfach der Meinung, bei allem Verständnis für Ablehnung früherer gewaltätiger, autoritärer Erziehungspraktiken, wenn dass das Resultat der Änderungen ist, kann es nicht der Weisheit letzter Schluss sein.


Aber wie gesagt, ich wollte eigentlich kein Fass aufmachen, dass gehört hier eigentlich nicht rein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin im Thema,
als Schüler einer Grundschule in meinem Heimatort Bad Zwischenahn nahm ich als Schüler an dem evangelischen Religionsunterricht teil.
Ich bin Jahrgang 1956, ungetauft, aber es war der Wunsch meiner Familie, dort anwesend zu sein, fragt mich bitte nicht, warum, ich weiß es nicht?

Der damalige "Religionslehrer" war ein evangelischer Pastor aus dem Nachbarort Dreibergen, Herr Pastor Böhmen, seinen Namen und sein Gesicht erinnere ich noch schwach. Der Mann war ein Kriegsveteran, einseitig beinamputiert, der Pastor hatte eine sehr gute "Reputation" in seiner kleinen Gemeinde. Wir sehr junge Schüler haben den Mann gefürchtet, wir hatten Angst vor dem alten Mann in Schwarz.

Seine "Spezialität" waren urplötzliche und schallende Ohrfeigen, die er weit ausholend in jeder Stunde austeilte, in jeder Stunde.
Danach brummte uns "ungläubigen" kleinen Jungs der Kopf, wir haben all das nicht nur einmal erlebt.
All das wurde in unseren Familien hingenommen, der Mann wurde niemals für seine Misshandlungen belangt. Er tat genau das, was sich viele Mütter und Väter nicht trauten.

Diese Erinerungen verblassten über die späteren Jahrzehnte, ich habe es leider versäumt den Mann in späteren Jahren darüber zu befragen, oder ihm auch einmal eine reinzuhauhen in seine grinsende Fresse, das war mein Fehler, aber der Mann hätte es verdient.
Diese Misshandlungen sind bleibend, so etwas geht an keinem Kind spurlos vorbei. Viele vergessen, manche vergessen nichts, ich bin einer der Misshandelten, die niemals etwas vergessen werden.

Micha
PS Gewalt produziert Gewalt, und Rache ist süß, aber ich habe dieses Prinzip niemals gelebt, es war besser so, und das wird auch genau so bleiben.
 
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psychische Gewalt ist es doch schon, den Menschen schreckliche Höllenvorstellungen einzupflanzen.
Eben. Um das zu verdeutlichen, muss ich ein wenig an die Anfänge des Christentums erinnern:

Öffentliche, aber nicht staatliche Elementarschulen für Kinder (Jungen wie Mädchen) von 7 bis 11 Jahren gab es im alten römischen Reich selbst in kleinen Orten. Gymnasien für 12- bis 16-jährigen Jungen wie Mädchen gab es auch in kleineren Städten und auch in den Provinzen. Die noch weiterführenden Schulen waren in der Kaiserzeit staatlich: Sie lieferten das Personal für die Verwaltung des Reiches.

Während diese Elementarschulen noch im 3. bis 5. Jahrhundert auch unter christlicher Führung weiter bestanden - es kamen aber von Bischöfen bestellte Religionslehrer* neu dazu -, hatte die Kirche für höhere Schulen offenbar keinen Bedarf mehr. Im frühen Mittelalter gab es nur noch Klosterschulen, aber nur für die Jungs und vornehmlich für den Eigenbedarf des Klerus. In den Nonnenklostern erhielten auch adelige Mädchen Unterricht, allerdings auch dort vornehmlich für den Eigenbedarf des Klosters, da die Nonnen in sog. Klausuren lebten und das Kloster so gut wie nie verließen. Erst ab dem Ende des 9. Jahrhundert gab es auf Veranlassung des Karl der Großen auch höhere Schulen, ab 11. Jahrhundert auch Universitäten.

* man kann ja nicht früh genug mit Indoktrination beginnen; darunter fällt auch: Angst vor der Fegefeur und Hölle in Kinderherzen einpflanzen.** Das war die katholische Praxis im Religionsunterricht noch ein bis zwei Jahrzehnte nach II. Vatikanum.
Außerdem wäre es naiv zu glauben, diese Religionslehrer betrieben keine antipagane Propaganda, schließlich lehnte das Christentum spätestens seit Tertullian die (religiösen) Sitten der römischen Gesellschaft ab.

** Heiden hatten zwar auch Gottheiten, mit denen man sich gut stellen sollte, andernfalls würde man bestraft – in diesem realen Leben. Aber im Christentum dienen Himmel, Fegefeuer und Hölle der moralischen Erziehung auch der Kinder, die noch keine Vorstellung von Jenseits haben können, und daher die Strafen für bare Münzen in diesem realen Leben nehmen. Dies nicht zuletzt deswegen, weil in den Bildern an den Kirchenwänden und anderswo das ganze Mittelalter und der frühen Neuzeit hindurch keine Seelen gequält wurden, sondern richtige Menschen aus Fleisch und Blut.

PS: Ich beziehe mich hier auf das Christentum, das im (lateinischen) Westen Europas und in den von diesen christianisierten Ländern außerhalb Europas heimisch (geworden) ist, schließlich wird es von christlichem Europa gesprochen, wobei damit alle Kirchen (als Institutionen) gemeint sind, die aus der katholischen Kirche hervorgegangen sind.

PPS: Und kommt mir bitte jetzt nicht mit: Christentum gebe es gar nicht. :)
 
** Heiden hatten zwar auch Gottheiten, mit denen man sich gut stellen sollte, andernfalls würde man bestraft – in diesem realen Leben. Aber im Christentum dienen Himmel, Fegefeuer und Hölle der moralischen Erziehung auch der Kinder, die noch keine Vorstellung von Jenseits haben können, und daher die Strafen für bare Münzen in diesem realen Leben nehmen. Dies nicht zuletzt deswegen, weil in den Bildern an den Kirchenwänden und anderswo das ganze Mittelalter und der frühen Neuzeit hindurch keine Seelen gequält wurden, sondern richtige Menschen aus Fleisch und Blut.

PS: Ich beziehe mich hier auf das Christentum, das im (lateinischen) Westen Europas und in den von diesen christianisierten Ländern außerhalb Europas heimisch (geworden) ist, schließlich wird es von christlichem Europa gesprochen, wobei damit alle Kirchen (als Institutionen) gemeint sind, die aus der katholischen Kirche hervorgegangen sind.

PPS: Und kommt mir bitte jetzt nicht mit: Christentum gebe es gar nicht. :)

Die Vorstellung eines Totengerichts ist ja nun kein Alleinstellungsmerkmal des Christentums, sondern eine Vorstellung, die vielen Kulturen eigen ist. In der Mythologie des Alten Ägyptens findet nach dem Tod eine regelrechte Gerichtsverhandlung statt mit Thot als Protokollanten und Osiris als Vorsitzendem. Das Herz wurde gewogen und je nach dem Verhalten des Verstorbenen im Leben fiel das Urteil aus.

Auch in der heidnischen Hölle wird nicht an Brennholz gespart. Im Tartaros büßen Typen wie Tantalos, der den Göttern Menschenfleisch vorsetzte oder die Danaiden. Prometheus wird, weil er den Göttern das Feuer stahl und es den Menschen schenkte an den Kaukasus geschmiedet, täglich frisst ihm ein Adler die Leber weg. Auch nicht gerade ein Idyll für zarte Kinderseelen.

Immerhin bietet das Christentum ja auch Erlösung an. Viele Wege zum Heiligen führen über den Umweg des Wüstlings. Selbst für wüste Hardcore-Sünder besteht ja immerhin noch Hoffnung. Es gibt doch eine ganze Reihe von Maßnahmen, wie man die Hölle vermeiden kann, und die sind nicht einmal besonders schwierig oder teuer.
 
Die noch weiterführenden Schulen waren in der Kaiserzeit staatlich: Sie lieferten das Personal für die Verwaltung des Reiches.
Das stimmt so nicht. Die weiterführenden Schulen, d. h. die Rhetorikschulen waren und blieben in aller Regel privat. Die wenigen Lehrstühle, die der Staat einrichtete, kann man mit der Lupe suchen; sie hatten weder die Kapazität noch den vorrangigen Zweck, dem Staat Verwaltungspersonal zu liefern. Die staatliche Förderung setzt erst in der mittleren Kaiserzeit ein und wurde auch unter den christlichen Kaisern weitergepflegt.

PS: Ich beziehe mich hier auf das Christentum, das im (lateinischen) Westen Europas und in den von diesen christianisierten Ländern außerhalb Europas heimisch (geworden) ist

Solange wir über das Römische Reich sprechen, wäre es Unfug, die Osthälfte auszublenden. Dort wurden bekanntlich viele Traditionen weitergeführt, die in den Germanenreichen des Westens untergegangen sind: Universität von Konstantinopel – Wikipedia
Odoaker, der erste Machthaber nach der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers, soll Analphabet gewesen sein. Vermutlich war der Ehrgeiz, sich durch die Förderung von Eliteschulen klassischer Prägung zu profilieren, bei der germanischen Kriegeraristokratie weniger ausgeprägt als bei den christlichen Kaisern der Spätantike.

Während diese Elementarschulen noch im 3. bis 5. Jahrhundert auch unter christlicher Führung weiter bestanden - es kamen aber von Bischöfen bestellte Religionslehrer* neu dazu
Gibt es dafür eine Quelle?
 
Als Schüler einer Internatschule in den frühen 1970er Jahren wurden wir Jungen im Unterricht geschlagen.
Landschulheim Burg Nordeck: Landschulheim Burg Nordeck – Wikipedia

Nach einer solchen Prügelattacke in dem damaligen Englischunterricht stand unser Klassenkamerad Wolfgang T. auf, und schlug den Englischlehrer zu Boden, mit den Worten: "Du alte Drecksau schlägst mich niemals wieder!"
Der ganze Vorfall wurde damals vertuscht, der alte Lehrer verschwand spurlos von der Schule, unser Klassenkamerad wurde nicht gefeuert.

Wir haben ähnliches erlebt in einem Wintersporturlaub in Österreich, Schüler wehrten sich gegen die Gewalt einiger Lehrer, und schlugen zurück.
Wolfgang T. war mein Zimmerkamerad, ein großer und kräftiger junger Mann. Es waren rebellische Jahre, es fühlte sich gut an.
Aber manchmal wünschte ich, uns jungen Schülern wäre so etwas erspart geblieben, es war leider nicht so.

In diesem Sinne euch einen Gruß

Micha
PS Diese Jahre im Internat waren prägend, und sicher die schönsten unserer jungen Jahre, aber es war keine heile Welt ala "Summerhill".
Es war ein ständiges sich behaupten müssen, Missbrauch und Misshandlung an der Tagesordnung. Größtenteils durch die älteren Mitschüler, geduldet von der Schulleitung. Wie sagte man: "Eine Schule fürs Leben, sehr wahr!"
Die schmutzigen Details gehören hier nicht her, sie sind Geschichte, aber immer in unseren Herzen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Die weiterführenden Schulen, d. h. die Rhetorikschulen waren und blieben in aller Regel privat.
Ja, privat und öffentlich – das hing vom Lehrer ab: Je mehr Schüler, desto mehr Einkommen.

Solange wir über das Römische Reich sprechen, wäre es Unfug, die Osthälfte auszublenden.
Grundsätzlich hast du recht – deswegen habe ich in diesem Fall erwähnt, dass ich nur den Westteil des Reiches meinte. Warum? Weil es im Osten in der Spätantike diesen Bruch in Erziehungswesen nicht gab.

Gibt es dafür eine Quelle?
Ja:
Ab Seite 110.
 
Du hattest "von Bischöfen bestellte Religionslehrer" im Zusammenhang mit Elementarschulen erwähnt, dafür gibt es aus der fraglichen Zeit natürlich keine Quellen.
Zur Erziehung sagt Pauly u.a. Folgendes:

Anders als E. im allg., jedoch wie die hell. Paideia, mit der sie konkurrierte, hörte sie nie auf (Predigt, Buße) [24. 877£.], denn die von göttl. Gnade abhängende Vollkommenheit war nach christl. Vorstellung erst im Jenseits zu erreichen [18. 523; 23. 154]. Christl. Tugenden (Demut, Glaube, Hoffnung, Gottesund Nächstenliebe) bestimmten die E.-Inhalte; bes. die Demut (tapeinótēs, humilitas), der paganen Ant. als Tugend fremd, sowie die im Vergleich zur pagan-philos. Betonung der Selbstbeherrschung verabsolutierte Forderung der Triebkontrolle gibt der christl. E. ein radikal neues Gepräge [23. 156f.].
(…)
... im Raum der griech.-lat. Bildung aber kam es zur »Kultur-Osmose« [27. 582] zw. klass. und rel. E. [27. 579-583]. Sie vollzog sich nicht ohne innerchrist. Opposition [25. 54-62; 27. 583-587]. Dennoch wuchs der Anteil der Lehrer christl. Glaubens auf allen Ebenen ständig
(...)
Aber auch eine christi. Mehrheit bei Lehrern wie Schülern führte keineswegs zur Christianisierung der ant. Schulbildung: Ihre (zuerst von > Clemens in Anlehnung an den Juden > Philon anerkannte [25. 71-74]) propädeutische Funktion für die christl. E. blieb unangetastet [18. 532-534; 27. $87594].

(c) Träger der christlichen Erziehung: (1) Familie: Eine primär ethische E. bedient sich vor allem der Nachahmung. Darum kommt — in Fortsetzung jüd. Tradition [18. sı7f.] — der Vorbildhaftigkeit bes. der Eltern entscheidende Bed. zu; sie tragen vor Gott und der Gemeinde die Hauptverantwortung für die E. ihrer Kinder. Auch andere Mitglieder der Hausgemeinschaft — wie Großeltern, Geschwister, Dienstpersonal - sowie die Taufpaten trugen erzieherische Verantwortung. [18. 525-531; 26; 27. 573).

(2) Kirche: An die Seite der ethischen E. durch das Elternhaus trat die Einführung in die Glaubenslehre durch eigens dafür bestellte Religionslehrer, im allg. die Priester, deren Unterweisung die Bischöfe zu überprüfen und abzuschließen pflegten (Taufkatechumenat) [27. 574-576).


Ich verstehe »Kultur-Osmose« als langsames Diffundieren christlicher Erziehung in die pagane antike Erziehung: Die Eltern waren nun nicht mehr die alleinigen Erzieher ihrer Kinder, an ihre Seite traten "eigens dafür bestellte Religionslehrer." Wo diese lehrten, ist zweitrangig.
 
Zur Erziehung sagt Pauly u.a. Folgendes:

[bla]

(2) Kirche: An die Seite der ethischen E. durch das Elternhaus trat die Einführung in die Glaubenslehre durch eigens dafür bestellte Religionslehrer, im allg. die Priester, deren Unterweisung die Bischöfe zu überprüfen und abzuschließen pflegten (Taufkatechumenat) [27. 574-576).

Da formuliert der Lexikonartikel tatsächlich missverständlich; hier werden zwei Seiten Marrou in einem einzigen Satz zusammengefasst. Das Stichwort Taufkatechumenat sollte aber eigentlich darauf hinweisen, dass es hier um den Unterricht ür Erwachsene geht, denn es war in der alten Kirche nicht üblich, Kinder zu taufen.

Die eigens ausgebildeten didaskaloi sind laut Marrou schon ziemlich früh wieder verschwunden. Du schriebst aber vom 3. bis 5. Jahrhundert.
 
Das Stichwort Taufkatechumenat sollte aber eigentlich darauf hinweisen, dass es hier um den Unterricht ür Erwachsene geht, denn es war in der alten Kirche nicht üblich, Kinder zu taufen.
Nicht üblich? Zur Taufe gibt es im Pauly (Seite 50) u.a. folgenden Satz:

Die T. war ein Akt eigener Entscheidung; die T. von Kindern ist erst seit dem Beginn des 3. Jh. bezeugt (Tert. de baptismo 18,4f.; Traditio Apostolica 21).

Ab 4. Jahrhundert wurde die Kindertaufe die Regel, den Einwänden von Tertullian und anderen zum Trotz.
 
Nicht üblich? Zur Taufe gibt es im Pauly (Seite 50) u.a. folgenden Satz:

Die T. war ein Akt eigener Entscheidung; die T. von Kindern ist erst seit dem Beginn des 3. Jh. bezeugt (Tert. de baptismo 18,4f.; Traditio Apostolica 21).

Ab 4. Jahrhundert wurde die Kindertaufe die Regel, den Einwänden von Tertullian und anderen zum Trotz.

Nochmal:
Die eigens ausgebildeten und mit dem Religionsunterricht beauftragten didaskaloi sind in der Frühzeit belegt, als die Kindertaufe noch nicht üblich war.
In der Zeit 3. bis 5. Jahrhundert wurde zwar schon die Kindertaufe praktiziert, die Kinder wurden dann von den Eltern christlich erzogen, hatten aber keinen eigenen Religionslehrer. Weithin üblich war aber nach wie vor das Katechumenat, bei dem Erwachsene vor der Taufe systematischen Unterricht erhielten, jedoch wiederum nicht durch spezielle Religionslehrer, sondern durch die örtlichen Kleriker (Bischof, Priester, Diakon).


Du hattest ausdrücklich von Religionslehrern für Kinder geschrieben, deswegen meine verwunderte Nachfrage nach einer Quelle:

Während diese Elementarschulen noch im 3. bis 5. Jahrhundert auch unter christlicher Führung weiter bestanden - es kamen aber von Bischöfen bestellte Religionslehrer* neu dazu [...]

* man kann ja nicht früh genug mit Indoktrination beginnen; darunter fällt auch: Angst vor der Fegefeur und Hölle in Kinderherzen einpflanzen.** Das war die katholische Praxis im Religionsunterricht noch ein bis zwei Jahrzehnte nach II. Vatikanum.
 
In der Zeit 3. bis 5. Jahrhundert wurde zwar schon die Kindertaufe praktiziert, die Kinder wurden dann von den Eltern christlich erzogen, hatten aber keinen eigenen Religionslehrer. Weithin üblich war aber nach wie vor das Katechumenat, bei dem Erwachsene vor der Taufe systematischen Unterricht erhielten, jedoch wiederum nicht durch spezielle Religionslehrer, sondern durch die örtlichen Kleriker (Bischof, Priester, Diakon).
Es ist egal, ob Familien Religionsunterricht durch Religionslehrer oder durch Bischof, Priester oder Diakon bekamen.
Gleichwohl hast du Recht: Meine Verbindung Schule - Religionslehrer war ein wenig tendenziös.
 
Es ist egal, ob Familien Religionsunterricht durch Religionslehrer oder durch Bischof, Priester oder Diakon bekamen.
Wie muss man sich das vorstellen? Saß da die komplette Familie (Vati, Mutti, Kinder) gemeinsam auf der Schulbank und erhielt "Religionsunterricht"? Bekam dann jedes Familienmitglied eine eigene Schulnote oder wurde der Durchschnitt errechnet?
 
Der Katechumenenunterricht, den die Kleriker erteilten, war Unterricht für noch nicht getaufte Erwachsene.
Sicher aber auch für noch nicht getaufte Kinder* im Schulalter. Es wird ja berichtet, dass mitunter die ganzen Familien gemeinsam getauft wurden - inkl. Sklaven.

* mit dem Wort Kind kann man alle 0- bis 14-jährige bezeichnen. Aber sobald Kinder sprechen können, kann man sie mit Sprache zumindest erreichen. Ob das sinnvoll ist oder war, ist eine andere Frage.
 
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