Traklson
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Wenn ich hier lese, das Christentum – mit seinen institutionellen Kirchen – hätte in Bezug auf Körperstrafen nur das getan, was auch in anderen Regionen und Religionen gang und gäbe war oder ist, dann ist das eine Verteidigungslinie, die vergessen machen will, dass die christlichen Kirchen in Deutschland es waren, die bis zuletzt das Prügelprivileg der Eltern und der Lehrer verteidigt haben.
Und dies wird nach wie vor verteidigt, denn noch im Jahr 2015 sagte der Papst Franziskus in einer Familien gewidmeten Generalaudienz Folgendes:
Ein guter Vater versteht zu warten und versteht zu vergeben, aus tiefstem Herzen. Sicher, er versteht es auch, entschieden zurechtzuweisen: Er ist kein schwacher, nachgiebiger, sentimentaler Vater. Der Vater, der es versteht, zurechtzuweisen, ohne zu entmutigen, versteht auch zu beschützen, ohne Mühen zu scheuen. Einmal habe ich in einer Versammlung von Ehepaaren gehört, wie ein Vater sagte: »Manchmal muss ich den Kindern einen Klaps geben … aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen.« Wie schön! Er ist sich der Würde bewusst. Er muss bestrafen, er macht es auf die richtige Weise, und er geht weiter.
Darauf hat in Europa eine Empörung gegeben, doch der Vatikan verteidigte die Äußerung des Papstes – Zitat aus FAZ:
Nach Angaben des „Guardian“ verteidigte Pfarrer Thomas Rosica, ein Mitarbeiter der Pressestelle des Vatikan, die Äußerungen des Papstes. Das Kirchenoberhaupt habe offensichtlich nicht darüber gesprochen, Gewalt gegenüber einem Kind anzuwenden oder grausam zu sein. Sondern es gehe darum, „jemanden beim Wachsen und Reifen zu helfen.“
Rosica verwies zudem auf die Erfahrung vieler Eltern: „Wer hat nicht schon einmal sein Kind gezüchtigt oder ist in seiner Kindheit von den Eltern gezüchtigt worden?“
Kindern zu schlagen heißt, ihnen „beim Wachsen und Reifen zu helfen.“
Bei der katholischen Kirche ist alles wie ehedem.
Okay, nicht ganz: Ab 2018 ist nun auch die katholische Kirche für die Abschaffung der Todesstrafe. Zuvor hielt sie diese Strafe "als eine angemessene Antwort auf die Schwere einiger Verbrechen und als ein annehmbares, wenn auch extremes Mittel zur Wahrung des Gemeinwohls".
Das war ein bisschen spät, aber immerhin. Und: Diese Änderung der kirchlichen Lehre wurde maßgeblich von Papst Franziskus vorangetrieben!
Bislang hatte ich den Eindruck, dass du für einen großen Einfluss des Christentums und besonders der katholischen Kirche auf die Moralvorstellungen argumentiert hast.
Jetzt argumentierst du in die entgegengesetzte Richtung. Wenn die katholische Kirche den Moralvorstellungen hinterher hinkt, müssen sich unsere Moralvorstellungen ja unabhängig von der Kirche weiterentwickelt haben.